Istrien im Hochsommer
Und trotzdem entspannen – Eine Reiseanekdote von Bernadette Olderdissen
Istrien Ende Juli/Anfang August? „Ach du Scheiße“, dachte ich nur, als ich den Vorschlag bekam und sah mich schon eingeklemmt zwischen tausenden von schwitzenden Körpern, Hühneraugen vor der Nase, das Wasser eine Brühe aus Sonnencreme und Abfall sowie Endlosstaus auf engen Landstraßen. Aber wenn man in Toulouse lebt, der französischen Stadt, in denen die meisten Flugzeuge hergestellt werden, von der aus aber die wenigsten starten, schlägt man zu, wenn es gerade eine günstige Direktverbindung gibt. Auch wenn sie nach Pula führt. Im Hochsommer.
Die Brijuni Inseln
Und jetzt die Überraschung für alle, die aus irgendeinem Grund gezwungen sind, es mir gleichzutun und das schöne Istrien in der Hochsaison zu besuchen: Es gibt sie, die ruhigen, fast menschenlosen Flecken, an denen man so richtig schön entspannen kann. Man muss nur ein bisschen suchen. Bestes Beispiel ist der Nationalpark Brijuni, der aus einer winzigen Inselgruppe vor der Westküste Istriens besteht. Man erreicht ihn von Fažana (unweit von Pula) mit der Fähre in etwa zehn Minuten. Will man das Fährticket in Fažana kaufen, wird einem sofort die geführte Tour aufgeschwatzt. Clou bei der Sache: Man bezahlt dasselbe, egal, ob man die Tour nun mitmacht oder nicht, was natürlich viele Leute verleitet, sich gleich nach der Ankunft in das Touristenbähnchen verfrachten zu lassen, um drei oder vier Stunden um die Insel kutschiert zu werden. Inklusive im Programm sind u.a römische Ruinen, alte Olivenbäume und ein Safaripark, der vielleicht Kinder begeistern kann. Ich habe mir den Luxus gegönnt, auf die Wurst-Tour (wie ich geführte Massentouren generell wegen ihres Wurst-in-der-Dose-Charakters nenne) zu verzichten, die gut 30 Euro allein für das Fährticket hin- und zurück auszugeben und mir dann am Hotel direkt am Anleger ein Fahrrad für etwa 12 Euro zu mieten.
Und lohnen sich die 12 Euro, um die Sehenswürdigkeiten der Insel ohne auch nur einen anderen Touristen zu bewundern und an völlig abgelegenen Buchten anzuhalten, in denen einem das Wasser karibisch türkis entgegenschillert? Das müsst ihr entscheiden – ich persönlich würde es wieder tun. Meine Erinnerung an Brijuni besteht aus Farben und Lauten. Dem Blau und Grün des Meeres, dem Dunkelgrün der Olivenbäume. Dem sanften Braun der Erde, dem orangenen Licht, in das die römische Landvilla aus dem 1. Jhd. getaucht war, an das satte Grün des wild wachsenden Grases in einer Festung aus der Bronzezeit. Ich denke an den aufgeregten Pfau, der mir laut schreiend zu der Villa vorauslief, an das Zirpen der Zikaden, an die Blätter, die in der leichten Mittagsbrise säuselten. An einen Aussichtspunkt mitten im Wald, von wo sich der Blick über die Bucht eröffnet. Und ich denke an meine schmerzenden Beine, weil das Fahrrad nicht eine einzige Gangschaltung hatte.
Leider ist das Baden an allen Stellen außer einem ausgewiesenen ‚Hotelstrand‘ untersagt, was daran liegt, dass an mancher Stelle Ruinen aus römischer Zeit unter dem Meer verborgen liegen. Als ich so richtig ins Schwitzen gekommen bin, habe ich mich trotz meiner Überzeugung, dass ich einen übervollen und womöglich kostenpflichtigen Strand vorfinden würde, an den Hotelstrand gewagt. Und siehe da: Eine erträgliche Menschenmenge und Wasser so hell und ruhig, dass sich sogar eine Qualle in die Bucht verirrt hat (wie ich einmal in Ligurien gelernt habe, sind Quallen ein Zeichen von ausgezeichnetem, sauberem Wasser – kleiner Trost für alle, die sich das Meer mit den unfreundlichen Tierchen teilen müssen). Das Chillen am karibikpostkartentauglichen Wasser war der krönende Abschluss meiner kleinen Brijuni-Rundtour – wer ein bisschen zu viel Bargeld in der Tasche hat, könnte auch noch einen Apero oder ein Abendessen in einem der beiden schicken Hotels zu sich nehmen – Buchtblick bis nach Fažana inklusive.
Der Kamenjak Nationalpark
Wo ich schon bei Nationalparks bin, fahre ich gleich mit dem Kamenjak Nationalpark an Istriens Südspitze fort. Eintritt zahlen nur Autos, Fußgänger und Radler dürfen umsonst in das Naturschutzgebiet. Meine Vorabrecherchen auf Trip Advisor brachten widersprüchliche Ergebnisse: Manche beschrieben den NP als Oase der Ruhe mit kristallklarem Wasser, andere als staubige Hölle, durch die Unmengen Autos rasen und wo man gerade im Sommer keine ruhige Minute mehr hat. Ich ließ mich nicht abschrecken und schwang mich trotzdem mal auf den Sattel eines frisch gemieteten Mountainbikes – für kurze Zeit, denn die sogenannten Radwege wurden bald so steinig und holprig, dass ich mich fragte, ob meine Organe noch alle an der richtigen Stelle saßen.
Bald schlug ich mich durch die Büsche, war ganz offensichtlich irgendwo im Off gelandet, doch damit gleichzeitig weit entfernt von den Autoschlangen lauf- und fahrradfauler Urlauber, die sich in ihren Blechsonnenfängern über die Schotterwege von Strand zu Strand quälten (also Autofahren im Park im Hochsommer auch nicht empfehlenswert). Ich nutzte mein ‚Verloren-sein‘ und tat es den wenigen Einheimischen gleich: Ich kroch durchs Gebüsch und landete an immer wieder neuen recht einsamen Buchten, in denen ein paar Leutchen mehr oder weniger nackt badeten. Also doch! Die Glasklarwasserfans auf Trip Advisor hatten recht gehabt! An keinem anderen Strand Istriens hatte ich bisher so grundtief durchsichtiges, unverschmutztes Wasser gesehen, aus dem ich, nachdem ich einmal mit meinen zum Glück mitgebrachten Wasserschuhen den mühsamen Abstieg geschafft hatte, gar nicht mehr rauswollte.
Immer wenn ich an einem der winzigen Steinstrände vorbeiholperte, bedauerte ich die schwitzenden, à la Sardinen zusammengequetschten Urlauber, während ich immer wieder abseits ins kühle Nass sprang – und mir zum guten Schluss einen wohlverdienten, deftigen Pljeskavica, salopp gesagt einen Balkandöner, an einer der Nationalpark-Bars einverleibte.
Und ich könnte euch noch ein paar Tipps verraten … nicht ganz so geheim, aber auf jeden Fall lohnenswert. Wenn’s euch interessiert, kommentiert den Beitrag einfach oder schreibt mir direkt.
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